Orthodoxen Christen in Freiburg* von Anita Hohler
a. In der Maria-Schutz-Kapelle und in der
Peterhofkapelle finden ihre Gottesdienste statt
Nahmhafte Künstler waren an der Ausstattung
der Maria-Schutz Kirche beteiligt.
Sie ist mühsam und derzeit nur auf Umwegen erreichbar, die orthodoxe Maria-Schutz-Kirche in der Schützenallee.
Kaum jemand vermutet, dass hinter Bauzäunen, Erdhügeln, nur wenige Meter vom Stau der Umfahrung der Schwarzwaldstrasse entfernt, orthodoxes Gemeindeleben stattfindet. Obwohl es sie schon lange gibt, wissen selbst die Anwohner der Schützenallee kaum etwas von der Existenz einer orthodoxen Kirche in ihrer Strasse.
Unsere Autorin Anita Hohler machte sich auf die Suche, wo die orthodoxen Christen aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern in unserer Stadt ihre Zentren haben.
Vor rund 20 Jahren stellte die Gemeinde Maria Hilf den orthodoxen Gemeinden ihre alte Kirche – die Ende 19. Jahrhunderts erbaute Maria-Schutz-Kapelle – zur Verfügung. Das Erzbischöfliche Ordinariat ließ den Kirchenraum renovieren und eine Heizung einbauen.
Der evangelische Oberkirchenrat stiftete die Ikonostase (die Ikonenwand, die den Altarraum von dem Kirchenschiff trennt). Gemalt wurden die Ikonen von drei rumänischen Ikonenmalern: Erzdiakon Gabriel Sibiescu aus Buzău (Rumänien), von Ion Ipser aus Nürnberg und von Livia Piso aus Tuscania (Italien).
Schließlich wurde die kleine Kirche am 19. Oktober 1980 in Anwesenheit des griechischen Metropoliten Augoustinos von Deutschland ihrer Bestimmung übergeben.
Zunächst war es die rumänische Gemeinde, die hier regelmäßig ihre Gottesdienste feierte. Im Mai 1981 kam die griechische Gemeinde und schließlich 1990 auch die serbische Gemeine hinzu.
Die russische Gemeinde hält ihrer Gottesdienste in der Peterhofkapelle (Universitätskirche) ab.
b. Maria-Schutz-Kirche ein Kleinod der orthodoxen Gemeinden in Freiburg
Die Freiburger orthodoxen Christen haben ihrer Kirche inzwischen in ein Kleinod verwandelt. Kunstvolle Ikonen, viel Gold, ein Altar hinter einer prächtigen Gemäldewand beeindrucken die Besucher ebenso, wie der orthodoxe Gottesdienst selbst.
Im Unterschied zur liturgischen Tradition der abendländlichen Kirchen, die einen Hang zur Rationalität und Nüchternheit haben, spielen in der orthodoxen Liturgie Spiritualität und Mystik eine besondere Rolle. Bis zu drei Stunden dauert eine orthodoxe Liturgiefeier, bei der weniger das gesprochene Wort, sondern der Gesang im Mittelpunkt stehen.
Die ehemalige Hochaltar-Ikone der Maria Schutz – Kapelle, Foto: Anita Hohler.
c. Die Orthodoxen betrachten die theologische Entwicklung des Abendlandes eher kritisch Griechisch-orthodoxe Kirche, so lautet die Bezeichnung für die Kirchengemeinschaften, die aus der seit dem 11. Jahrhundert getrennten oströmischen Reichskirche hervorgegangen sind.
Sie teilt sich nach dem Nationalprinzip in mehrere Kirchen auf, an deren Spitze Patriarchen, Metropoliten oder Erzbischöfe stehen, der Patriarch von Konstantinopel genießt hierbei das Ehrenprimat. Die Glaubenslehre stützt sich auf die sieben Ökumenischen Konzilien.
Der theologischen Entwicklung des Abendlandes stehen die orthodoxen Christen eher kritisch gegenüber. Oberhoheit und Unfehlbarkeit des Papstes werden ebenso verneint wie die unbefleckte Empfängnis Marias und das Fegefeuer. Orthodoxe haben wie die Katholiken sieben Sakramente.
Die eucharistische Liturgie geht auf die Liturgie von Byzanz zurück. In den Kirchen befindet sich meist der Altar hinter einer Bilderwand, Orgel- und Instrumentalmusik fehlen. „Die Offenbarung Gottes an die Menschen erging in konkreten Worten und verlangt von den Menschen eine konkrete Antwort.“ Diese, so erklärt der Priester der rumänischen Gemeinde Sorin Petcu, könne niemals mit Instrumentalmusik erzeugten Melodien gegeben werden.
d. Eng verhaftet mit Traditionen und Ikonenverehrung
Die Orthodoxie, so Sorin Petcu, zeichne sich innerhalb der Christenheit von heute durch die Bewahrung der „Altkirchlichkeit“ aus. Geschichtliche Traditionen und altkirchliche Lehre seien in der Liturgie stets gegenwärtig. Eine Trennung von Theologie und Liturgie, Anbetung und Dogma seien undenkbar.
Bei der Feier der Liturgie werde großen Wert auf die Mitwirkung der Gläubigen gelegt. Sie singen und beten gemeinsam mit den Zelebranten. Die Ikonenverehrung ist mit der Liturgie und dem Leben der orthodoxen Christen eng verbunden.
Die Kleriker kommunizieren in getrennten Gestalten. Die Gläubigen empfangen die Kommunion von dem Priester in verbundener Gestalt mit Hilfe eines Löffels.
Die Priester tragen die traditionellen Gewänder aus dem vierten Jahrhundert. Auffallend sind hier das meist lange Haar, der schwarze Talar und eine zylinderförmige Kopfbedeckung.
Ein besonderes Merkmal der orthodoxen Spiritualität ist die starke Einbeziehung des Heiligen Geistes in alle Bereiche des christlichen Lebens.
Die Maria-Scuhutz Kapelle in der Schützenallee 16 ist seit 20 Jahren Mittelpunkt des orthodoxen Gemeindelebens in Freiburg.
Die orthodoxe Liturgie ist so geordnet, dass sie durch ausgeprägte Symbolik unablässig an die Person und das Leben des Erlösers erinnert.
Währen die Griechen das Altgriechische und die Slawen das Altslawische in der Liturgie verwenden, benützen die Rumänen die moderne Volkssprache. Bis auf die unterschiedlichen Sprachen finden die Liturgiefeiern aller orthodoxen Christen nach dem gleichen Ritus statt.
Der Gebrauch der Volkssprache soll den Charakter der Liturgie als „Sache des Volkes“ unterstreichen.
Die Orthodoxe Kirche benützt zwei Liturgieformulare, das eine wird dem heiligen Johannes Chrysostomos († 404) und das andere dem heiligen Basilius († 379) zugeschrieben.
Beide Liturgieformen stehen in ihren wesentlichen Elementen seit dem vierten Jahrhundert.
e. Reformen und Erneuerungen stossen bei den Gläubigen auf wenig Akzeptanz
Die eng mit dem Glauben und der Liturgie verhafteten orthodoxen Christen legen grossen Wert auf die Überlieferung. Änderungen, Reformen und Erneuerungen in Glaubensfragen und in der Liturgie stossen heute wie vor Jahrhunderten auf wenig Akzeptanz.
Die Liturgiereform des Patriarchen Nikon führte 1680 zur grossen Kirchenspaltung in Russland und durch die Einführung des gregorianischen Kalenders in Rumänien und in Griechenland kam es in den zwanziger Jahren zur Bildung einer Splittergruppe, den „Altkalendariern“. Somit erklärt sich auch warum viele orthodoxen Christen bei den Schwesternkirchen mit all ihrer Neuerungen wie beispielsweise den Empfang der Kommunion ohne Beichte, fehlende Fastendisziplin, Trauung der Homoehe, Frauenordination (Frauen in geistlichen Ämtern) und anderes mehr eher auf Distanz bleiben.
f. Nach der Oktoberrevolution kamen die ersten orthodoxen Christen nach Freiburg
In Deutschland bilden die orthodoxen Christen nach der katholischen und evangelischen Kirche die drittgrösste Kirchengemeinschaft. Sie müssen in Deutschland keine Kirchensteuer einrichten, daher erhalten die Geistlichen auch keine Besoldung. Sie sind auf die sporadische Unterstützung der Gemeinden angewiesen, die aber meistens nicht über entsprechende Mittel verfügen. Einige Priester stehen deshalb in Arbeitsverhältnissen ausserhalb ihres Tätigkeitsbereichs, so dass die pastorale Arbeit oftmals gezwungenermassen vernachlässigt wird.
Über die Zahl der in Freiburg lebenden orthodoxen Christen gibt es derzeit keine genauen Angaben, da viele von ihnen Flüchtlinge, Gastarbeiter oder Spätaussiedler sind und oftmals bedingt durch Arbeit und familiäre Gründe nur kurze Zeit in Freiburg leben.
In Freiburg hat es jedoch bereits schon vor dem Zweiten Weltkrieg eine orthodoxe Gemeinde gegeben. Ihrer Mitglieder waren russische Emigranten, die nach der Oktoberrevolution ihre Heimat verlassen hatten. Nach dem Zweiten Weltkrieg bildete sich die rumänisch-orthodoxe Gemeinde in Freiburg, ihre ersten Mitglieder waren meist Studenten, Diplomaten, ehemalige Angehörige des rumänischen Heeres, Arbeiter und politische Flüchtlinge. Viele von ihnen kamen aus Berlin, wo seit Ende der dreißiger Jahre bis zur Bombardierung gegen Kriegsende eine so genannte rumänische Kolonie ein eigenes Gemeinde- und Kulturzentrum unterhielt und sich durch rege kulturelle Arbeit auszeichnete.
Der letzte rumänische Priester von Berlin war der Theologieprofessor Emilian Vasiloski. Unmittelbar nach Kriegsende bemühte er sich um die Neuorganisierung der rumänischen orthodoxen Kirchengemeinden in Deutschland und gründete „Die Rumänische Orthodoxe Kirche in Deutschland e.V. (die sogenannte „Exilkirche“) mit Sitz in Freiburg unter der Kanonischen Jurisdiktion des Ökumenischen Patriarchates von Konstantinopel. Heute gehört die rumänische Gemeinde in Freiburg immer noch zu der Griechische-Orthodoxen Metropolie von Deutschland mit Sitz in Bonn.
Der griechische Metropolit Augoustinos Labardakis (rechts) war anwesend, als vor 21 Jahren die Maria-Schutz-Kirche offiziell den orthodoxen Christen übergeben wurde.
g. Die Peterhofkapelle – das erste eigene Gotteshaus der Orthodoxen in Freiburg
In den fünfziger und sechziger Jahren wuchs, bedingt durch den Zuzug von Studenten und Gastarbeitern, die griechische orthodoxe Gemeinde in Freiburg stark an. Unterstützt von den grossen Kirchen Freiburgs bauten sich die orthodoxen Christen ihr eigenes Gemeindeleben auf. Die Gottesdienste wurden im Herz-Jesu-Kloster in der Okenstrasse, in St. Martin und in der Friedhofskapelle abgehalten.
1962 schließlich wurde der russischen und der rumänischen orthodoxen Gemeinde im Auftrag der Universität Freiburg die schöne alte Peterhofkapelle (bild oben) zur gottesdienstlichen Nutzung übergeben.
Die Ausstattung der Kapelle wurde aus Spenden der Evangelischen Kirche finanziert. Die Ikonen der Ikonostase malte die rumänische Künstlerin Corina Sombart.
Endlich fühlten sich die orthodoxen Russen und Rumänen in Freiburg zu Hause.
Unzählige Hochzeiten, Festgottesdienste und Taufen wurden seither gefeiert. Zu den ganz grossen Gottesdiensten an Ostern und Weihnachten wichen die orthodoxen Christen in die mehr Raum bietende St. Michaels-Kapelle im alten Friedhof aus.
h. Erschwerte Bedingungen für orthodoxe Priester
Die rumänisch-orthodoxe Gemeinde feiert heute ihre Gottesdienste unter Leitung des Erzpriesters Dumitru Popa und des Diplom-Theologen Sorin Petcu, der 1990 in der Maria-Schutz-Kirche zum Priester geweiht wurde. Die russich-orthodoxe Gemeinde steht unter Leitung von Erzpriester Michail Dronov. Die serbisch-orthodoxe Gemeinde wird von Milorad Jovanovic betreut, der Priester der griechisch-orthodoxen Gemeinde ist der Argentinier Joseph Bosch. Die Priester betreuen stets mehrere Gemeinden und müssen weite Wege zurücklegen. Pfarrer Petcu beispielsweise ist für die rumänisch-orthodoxen Gemeinden in München, Pforzheim, Nürnberg und Freiburg zuständig. Auch Miloradt Jovanovic, Pfarrer der serbischen Gemeinde, muss für seine 14tägig stattfindenden Gottesdienste, Taufen und Hochzeiten aus Karlsruhe anreisen. Überdies betreut er noch fünf weitere Gemeinden zwischen Freiburg und Karlsruhe.
Trotz erschwerter Bedingungen sind die für Freiburg zuständigen Priester froh, hier die entsprechenden Einrichtungen zur Abhaltung ihrer Gottesdienste vorzufinden.
Auf der Wunschliste ganz oben steht jedoch ein eigener Gemeindesaal, wo sie sich mit den Gläubigen, die oftmals, wie ihrer Priester, von weit her kommen, nach den Gottesdiensten treffen können. Die Gemeinde Maria Hilf, die zugleich auch die Fürsorge für den Zustand der Maria-Schutz-Kirche trägt, hat den orthodoxen Christen ihren Gemeindesaal zur Nutzung angeboten. Dies ist nicht immer möglich, da besonders an grossen Festtagen Eigenbedarf besteht.
i. Ökumenische Trauungen sind heute an der Tagesordnung
Obwohl sich viele der in ihren Traditionen verhafteten orthodoxen Christen mit der Ökumene oftmals noch schwer tun, werden durch das Leben in der Fremde immer mehr Mischehen geschlossen.
Ein typisches Beispiel hierfür war das Hochzeitspaar Bianca und Andreas, das an einem heissen Julitag 2001 in der Maria-Schutz-Kapelle nach orthodoxem Ritus (auch eine ökumenische Trauung wäre möglich gewesen) den Bund fürs Leben schloss.
Hochzeit von Bianca und Andreas. Fotos: Anita Hohler
Bianca ist Rumänin, sie lebt seit sechs Jahren in Freiburg und gehört der rumänisch-orthodoxen Kirche an, ihr Bräutigam, ein waschechter Freiburger, ist evangelisch. Behutsam wurde er von Pfarrer Petcu durch die ihm fremden Rituale geleitet. Beachtlich war auch hier die Länge des Traugottesdienstes, fast zwei Stunden dauerte es, bis das neu vermählte Ehepaar strahlend die Kirche verlassen konnte.
j. Gäste sind willkommen
Wer sich für die orthodoxen Gemeinden und ihrer Gottesdienste interessiert, ist willkommen. Allerdings, so Sorin Petcu, sei der Empfang der Kommunion für andersgläubige nicht möglich, im Anschluss an die Liturgie werde jedoch gesegnetes Brot für alle Kirchenbesucher verteilt, aber auch hier gelte, dass die Empfänger nüchtern sein müssten.
Die russisch-orthodoxe Gemeinde feiert ihre Gottesdienste in der Peterhofkapelle. Jeden Samstag 17 Uhr, wird zu einer Vesper und am Sonntag 9.30 Uhr, zur Liturgie eingeladen.
Die Rumänen feiern ihren Gottesdienst jeden Sonntag um 10 oder 11 Uhr in der Maria-Schutz-Kirche im wechsel mit den Griechen die 14-tägig sonntags von 9 bis 11 Uhr zum Gottesdienst einladen.
Die serbisch-orthodoxen Christen treffen sich 14-tägig jeweils am Sonntag um 18 Uhr zur Messe in der Maria-Schutz-Kirche.
Eine weitere Möglichkeit, etwas über die orthodoxe Kirche zu erfahren, sind Führungen, die auf Wunsch und nach vorheriger Anmeldung von den Priestern vorgenommen werden.
* Artikel übernommen aus dem Freiburger Almanach 2002, S. 181-186 nach der schriftlich erteilten Genehmigung des Verlags.
Erzpriester Sorin Petcu – Müllheim – in Dezember 2009